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Seminar "Vom richtigen Umgang mit jungen Pferden:

Anlongieren, Anreiten, Freispringen"

am 30.09.2006 mit Martin Plewa

 

Die Deutsche Akademie des Pferdes veranstaltete am 30.09.2006 in der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster ein "Jungpferdeseminar" mit Martin Plewa (Schulleiter). 

Der ehemalige Bundestrainer Vielseitigkeitsreiten und internationale Richter erläuterte aus der Sicht des erfahrenen Ausbilders wie man ein junges, ungerittenes Pferd auf seine Zukunft als Reitpferd vorbereitet. 

Das allgemeine Prinzip, dass ein erfahrener Reiter auf ein junges (unerfahrenes) Pferd und ein unerfahrener Reiter auf ein erfahrenes Pferd gehört, wird nicht immer eingehalten, so Martin Plewa. Viele Pferdebesitzer und Reiter suchen daher den Rat von Fachleuten. Diese allgemeinen Defizite in der Ausbildung hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bewogen, eine neue Ausbildungsschiene einzuschlagen - den Trainer B Jungpferde. In der Westfälischen Reit- und Fahrschule lief zu Zeiten des Seminars aktuell der zweite Trainer-Lehrgang dieser Art. 

In die praktische Vorführung wurden zunächst fünf Jungpferde mit einbezogen, die die einzelnen Schritte der Ausbildung demonstrierten; ein 2,5-jähriger Brauner, ein 3-jähriger Fuchs sowie drei 4-jährige Pferde. 

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Bei jedem Schritt in der Eziehung muss an die Zukunft gedacht werden, leitete Herr Plewa seine allgemeinen Worte zur Jungpferdeausbildung ein. Der Mensch muss selbst zum Sozialpartner des Pferdes werden, und zwar in der Art, dass das Pferd den Menschen als "Führer" im weiteren Sinne akzeptiert. Dabei muss sich der Mensch "verpferdlichen" und nicht das Pferd vermenschtlicht werden. 

Als ersten Ausbildungsaspekt sollte das Pferd Vertrauen und Respekt gegenüber dem Menschen gewinnen. In diesem Zusammenhang unterstrich Herr Plewa, dass das Pferd den Menschen auf gar keinen Fall "linken" möchte, da es nicht "um die Ecke" denken kann. Vielmehr sind bestimmte Verhaltensweisen des Pferdes auf mögliche (erlernte) Erfahrungen zurückzuführen. Disziplinierungsmaßnahmen wie den sogenannten "Insterburger" sind daher mit Blick auf das Vertrauen des Pferdes strickt abzulehnen. Disziplinierung sollte vielmehr im positiven Sinne erfolgen, und zwar dort, wo sich das Pferd auch begrenzen läßt. 

Das Maul des Pferdes sollte in diesem Zusammenhang als "kleines Heiligtum" angesehen werden, über das niemals eine Disziplinierung erfolgen soll. Oft besitzen Pferde "Angst vor der Hand" - aus diesem Grunde empfiehlt der erfahrene Ausbilder die zusätzliche Verwendung von Halfter und Führkette zum herkömmlichen Zaumzeug, wobei die Führkette von links (seitlich) über den Nasenrücken nach rechts verläuft und (um ein Verrutschen des Halfters zu vermeiden) im oberen Halfterring endet. Denn: Bei Jungpferden besteht keine Notwendigkeit über die Trense einzuwirken. 

Das Einlegen eines Gebisses selbst stellt bereits eine Beeinträchtigung des Pferdemaules dar, so Plewa, da ein Gebiss immer eine Zungenquetschung verursacht. Das Pferd muss daher die Gelegenheit haben, sich schonend an das (passende) Trensengebiss zu gewöhnen. 

Hat sich das junge Pferd an das Gebiss langsam gewöhnt, muss es beim Führen (über die Führkette) lernen, dass es in jeder Phase mit dem Menschen mit läuft. Hierbei leistet eine längere Gerte gute Dienste, da mit dieser das Pferd beeinflußt werden kann, ohne dass der Mensch seine Körperhaltung großartig verändert. Weiterhin unterstützt die Gerte die Begrenzung und die Konzentration auf den Menschen. 

Die Führposition des Menschen paßt sich individuell dem Pferd an - in treibender Position befindet sich der Mensch weiter hinten, in verhaltener Position weiter vorne. 

In diesem Ausbildungsstadium sollten mit dem jungen Pferd nun verschiedene Wege (z.B. auch Bahnfiguren oder Wege im Straßenverkehr) geübt werden. Auch Übergänge vom Schritt zum Trab und vom Trab zum Schritt sollten an der Hand erlernt werden. Hierbei ist der Einsatz der Körpersprache und der Stimme empfehlenswert, wobei der Mensch darauf achten sollte, dass er dieselben Stimmkommandos wie später an der Longe benutzt. Idealerweise verwendet der Mensch zu einem späteren Zeitpunkt nur noch seine Körpersprache, so dass sich das Pferd lediglich am Bewegungsablauf des Menschen orientiert. Alle Übungen sollten sowohl von links als auch von rechts durchgeführt werden, da sich das Pferd ansonsten immer nur auf eine Seite orientiert und die Wahrnehmung im Laufe der Zeit immer unterschiedlicher wird. Diese soll sich aber auf beide Seiten konzentrieren. 

Der Wechsel zwischen linker und rechter Hand soll sich durch alle Ausbildungsabschnitte des Pferdes ziehen. 

Eine Hilfsperson von hinten sollte in diesem Ausbildungsabschnitt (wie auch in allen anderen) die absolute Ausnahme darstellen. Auch auf die Hilfe eines "Führpferdes" sollte schnell wieder verzichtet werden. 

Läßt sich das junge Pferd von beiden Seiten führen, können Stangen in die Ausbildung mit einbezogen werden (z.B. über Stangen treten oder durch Stangengassen führen). Wichtig: Es darf kein Druck aufgebaut werden, da das Pferd sonst neue Aufgaben mit der erhöhten Herzfrequenz verbindet. 

Bevor einem jungen Pferd zum ersten Male ein Sattel aufgelegt wird, klopft man es in der Sattellage ab. Empfindliche Pferde können vorher auch an einen Gurt gewöhnt werden. 

Der Sattel wird ohne Steigbügel und Gurt von einem Helfer aufgelegt, der sich dabei dicht am Pferd befindet - sollte das Pferd wegspringen, ist es wichtig, dass der Helfer den Sattel in Händen hält. 

Bevor der (im Idealfall elastische) Sattelgurt erstmalig geschlossen wird, gewöhnt man das Pferd an die Gurtberührung. In dieser Phase ist häufiges Wiederholen wichtig. Bei einigen Pferden kann es erforderlich werden, dass diese beim Satteln und Gurten in Bewegung sind, also geführt werden. 

Bevor der Schulleiter zum zweiten Ausbildungsabschnitt überging, wies er daraufhin, dass das Ausbildungsdenken heutzutage zu sehr "hallenorientiert" ist, dies aber überhaupt nicht der Natur des Pferdes entspräche. 

Der zweite Ausbildungsabschnitt beschäftigte sich mit dem Anlongieren des Pferdes und dem ersten Aufsitzen. 

Das Anlongieren dient in erster Linie der Kommunikation zwischen Pferd und Mensch, so Martin Plewa, und nicht dem Ausbalancieren des Pferdes. Das Longieren an sich stellt eine erhebliche körperliche Beanspruchung an das junge Pferd dar, dessen Wert nach Plewas Meinung total überschätzt wird. 

Beim Longieren muss das junge Pferd genau die Erfahrungen machen, die sich der Mensch später auch beim Reiten zu Nutzen machen möchte. 

Das Anlongieren erfolgt im Schritt und im ruhigem Trab - der Galopp ist völlig entbehrlich. Wichtig ist, dass das Pferd die Longe gut und leicht ausläuft. 

Die Longe sollte nicht nur im Trensenring, sondern gleichzeitig auch im Reithalfter befestigt werden. Ideal ist auch der Einsatz eines Kappzaumes. 

Als Ausbindezügel wird zunächst ein Dreieckszügel verwendet, der beim anfänglichen Gebrauch nicht zu kurz zu verschnallen ist. In diesem Ausbildungsabschnitt macht sich das Pferd mit dem gleichmäßig anstehenden Zügel vertraut. Takt, Losgelassenheit und Anlehnung sollen erarbeitet werden - das Pferd soll sich vertrauensvoll an das Gebiss herandehnen. Später kommt der normale Ausbindezügel zum Einsatz, der keine Gummiringe haben sollte, da diese zu viel Unruhe verursachen und das Pferd somit nur schlecht Anlehnung finden kann. Den Einsatz von Hilfszügeln wie das Chambon lehnt Herr Plewa ab, da sich das Pferd hier nicht an das Gebiss herandehnen kann und aufgrund der fehlenden Anlehnung immer weiter auf die Vorhand kommt. Auch jegliche elastischen Hilfszügel (z.B. aus Gummi) lehnt der Ausbilder ab, da diese das Pferd nicht auf die Zügelhilfen vorbereiten und keine Anlehnung bieten. Wichtig ist zudem das gleichmäßige Verschnallen der Ausbindezügel. 

Oberstes Ziel des Anlongierens ist die Dehnung der gesamten Oberlinie. 

Hat das junge Pferd den Sattel akzeptiert und geht bereits im Schritt und Trab ausgebunden an der Longe, kann das erste Aufsitzen erfolgen. 

Bevor sich der Reiter in den Sattel begiebt, sollte er sich von beiden Seiten mit dem Oberkörper über das Pferd legen. Die Anwesenheit eines ruhigen "Führpferdes" kann hierbei anfänglich gute Dienste leisten. Hat das Pferd das Gewicht akzeptiert und kann der Reiter die Bügel aufnehmen, sollte der Reiter das Pferd an verschiedene Oberkörperbewegungen gewöhnen. Dieses sollte vorsichtig von statten gehen und häufig (mehrmals täglich) geübt werden. 

Wenn sich das junge Pferd mit Reiter führen läßt, kann der Schenkel gleichmäßig ruhig angelegt werden, um das Pferd an den Kontakt zu gewöhnen. Der Reiter sollte den Schenkel allerdings nicht treibend einsetzen. 

Im nächsten Schritt kann das junge Pferd mit Reiter von einem erfahrenen Reiter-Pferd-Paar als Handpferd mitgeführt werden. Der Jungpferdereiter nutzt in diesem Ausbildungsabschnitt zwei Paar Zügel - eines ist immer noch ins Halfter eingeschnallt, eines in die Trensenringe. 

Der Reiter des jungen Pferdes nutzt ausschließlich den sogenannten Remontesitz, um den Rücken des Tieres nicht zu sehr zu belasten und für die Bewegung frei zu machen. Gewichtshilfen werden verstärkt eingesetzt. In diesem Zusammenhang wies der Schulleiter daraufhin, dass zunächst ein leichter Reiter das Jungpferd in diesem Stadium reiten sollte und dass das junge Pferd im Wesentlichen den Reiter über seinen Hals trägt. Die Halsmuskulatur übersäuert in diesem Ausbildungsabschnitt recht schnell. 

Desweiteren wies Herr Plewa daraufhin, dass die Zügel niemals das Bremspedal des Reiters darstellen dürfen - wichtig ist es, das junge Pferd am langen Zügel zu reiten - das Schrittreiten am nur halblangen Zügel wird als schlecht eingestuft. 

Die Zügelhilfen des Reiters erfolgen zunächst noch nicht über das Gebiss. Das Pferd wird hauptsächlich über Gewichtshilfen geritten bis es selbst die Anlehnung über das Gebiss sucht. 

Das Aufsteigen sollte nicht vom Boden aus erfolgen - entweder läßt sich der Reiter auf sein Pferd heben oder er benutzt eine Aufstiegshilfe. Auch das Aufsitzen sollte von beiden Seiten geübt werden. 

Kann das Jungpferd schließlich ohne Führpferd geritten werden, sollte es tempomäßig ruhig geritten werden, da die Hinterbeine ansonsten keine Zeit haben vorzutreten und der Rücken fest bleibt. Jedes Übereilen ist fehlerhaft und kommt dem Erreichen der Losgelassenheit nicht entgegen. 

Pferde, die häufiger aus dem Rhythmus kommen, können im Remontesitz leichtgetrabt werden. 

Der Zeitpunkt des Anreitens richtet sich nach der individuellen Körperkondition jedes einzelnen Pferdes. Herr Plewa ist allerdings der Ansicht, dass es vorteilhafter ist, ein Pferd früh dosiert zu arbeiten. Zu beachten ist jedoch auch, dass die Tragfähigkeit eines jungen Pferdes wegen der fehlenden Muskulatur im Rücken recht begrenzt ist. Als zentrale Übung für Jungpferd erwähnt der Ausbilder zudem das "Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen" sowie das Schrittreiten am langen Zügel, wobei er zu bedenken gab, dass das Schrittreiten am langen Zügel für das junge Pferd keine Erholungsphase darstellt, da das Pferd auch in dieser Phase den Reiter über seinen Hals trägt. Aus diesem Grunde sollte der Jungpferdereiter nach einer Unterrichtssequenz zum Schluss besser absitzen und führen anstatt weiterhin Schritt zu reiten. 

In der weiteren Ausbildung unter dem Reiter sollte das junge Pferd möglichst früh die Stangenarbeit kennenlernen. 

Der zweite Themenkomplex des Tages befaßte sich mit dem Freispringen von Jungpferden.

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Vor dem Freispringen muss das Pferd gelöst werden, wobei der Schulleiter es als Unsitte empfindet, das Pferd einfach vorher in der Halle hin und her zu jagen. Genau wie beim Reiten soll auch beim Freispringen das Pferd richtig gelöst werden, wobei auch hier auf Ruhe und Gelassenheit großer Wert gelegt werden soll. 

Bezüglich der Ruhe und der Gelassenheit gibt Herr Plewa zu bedenken, dass der Mensch beim Freispringen nur die Möglichkeit des Treibens besitzt und ein Pferd nur schlecht bremsen kann. Pferde, die immerzu hetzen, sind daher für das Freispringen nicht geeignet. 

Wie auch bei allen anderen Übungen soll das Freispringen auf beiden Händen erfolgen. 

Zum Freispringen bedient sich der Mensch einer "Springgasse", in die das Pferd über das Halfter hineingelassen und von einem weiteren Helfer am Ende wieder aufgefangen wird. Weitere Helfer können treibend einwirken. 

Zunächst wird das unerfahrene Pferd nur an das Durchlaufen der Gasse gewöhnt, später werden Stangen und kleinere Sprünge einbezogen. Das Einlassen des Pferdes in die Gasse erfolgt dabei immer im ruhigen Trab. 

Kreuze sollten in die Ausbildung des Jungpferdes nicht einbezogen werden, weil das junge Pferd nicht gerade springt. Besser sind Steilsprünge. 

Das Freispringen ist eine Art der Gymnastizierung - es schult u.a. die Balance, die Körperwahrnehmung, die mentale Situation und das Reaktionsvermögen und die Losgelassenheit des Rückens. Der Mensch sollte nicht das Ziel verfolgen, zu testen wie hoch sein Pferd springen kann. 

Das Springen soll für die jungen Pferde zur Selbstverständlichkeit werden - später unter dem Reiter soll das Pferd am Sprung zum "Selbstfahrer" werden. Die Aufgabe des Reiters ist es, das Anreiten zu optimieren. 

Im Alter von 7-8 Jahren hat das Pferd das Ende seines Reifestadiums erreicht. 

Fazit: 

Ein informatives Seminar mit gutem Referenten in einem angenehmen Ambiente. 
Bereits am Morgen war für die Verpflegung der Teilnehmer bestens gesorgt (im Preis von 20,-- Euro (PM) bzw. 25,-- Euro enthalten), zur Mittagsverpflegung (Suppe, Brötchen, Schnittchen) wurde um eine Spende von 3,-- Euro gebeten. 

 

Britta Nehrenheim